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Bootsmann Aurelio und OS Kenneth im Interview mit Silvie Boyd DSM Le Havre In der heutigen Zeit wird nahezu alles mit dem Handy gefilmt und fotografiert… auch an Bord |
Seemannsgarn – nein, dieses Mal nicht, es gibt Beweise… |
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Letzte Woche hatten wir einen Bordbesuch der besonderen Art, so einen, den man nicht so schnell vergisst. Die Barzan gehört zu unseren Stammschiffen im Hafen von Le Havre. Sie haben Le Havre, seit ich hier Dienst tue, auf ihrer Linie, bevor sie nach Asien fahren bzw. auf dem Rückweg. Es handelt sich um eine sehr diverse Crew: viele Filipinos, und dann noch Syrer, Ägypter, Polen, Ukrainer und Pakistani. Sie freuen sich immer über Besuch aus der Seemannsmission. Als wir im Mannschaftsraum zusammensaßen, wurde nach und nach klar: dieses Mal hatten sie eine ganz besonders spannende Geschichte im Gepäck: |
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Sie fuhren gerade aus Indien ab, da bekamen sie am 27. Februar 2022 morgens um 3.30 einen Notruf der indischen Hafenkapitänerie aus einem indischen Hafen der besagte, bei einem griechischen Frachtschiff sei der Zweite Offizier über Bord gegangen. So begann ihre Rettungsodyssee genauso wie eines anderen Frachtschiffes, welches sich an der Suche beteiligte. Der polnische Kapitän der Barzan ließ die Koordinaten abfahren, um den in Not geratenen Seemann zu finden, während das andere Schiff schließlich abdrehte, um aufzugeben. Die Zeit schlich dahin, die Wahrscheinlichkeit den Mann zu finden und seine Überlebenswahrscheinlichkeit wich mit der Anzahl der Stunden, die die Suche andauerte…doch sie gaben nicht auf. Um 17:00 Uhr schließlich konnten die Seeleute auf der Bridge mit dem Fernrohr etwas aufblitzen sehen, …und tatsächlich handelte es sich um den 31jährigen griechischen Offizier, der über Bord gegangen war. 15 lange Stunden - hatte er in den Wellen des Indischen Ozeans gedriftet. Um zu überleben, hatte er sich seiner Kleidung und Schuhe entledigt, denn die sogen sich voll und erschwerten ihm das an der Oberfläche bleiben. Als sie ihm nahe genug waren, ließen sie Leine und einen Rettungsring über die Pilotentür runter. Erstaunlicherweise hatte der Seefahrer immer noch die Kraft, sich am Seil und schließlich im Rettungsring festzuhalten. Bei dem Mann war ein überaus beeindruckender Überlebenswille festzustellen. Da es eine Weile dauert, bis bei einem Containerschiff dieser Größe (400 m Länge und 21 Knoten), die Fahrt gedrosselt ist, konnten die Mitglieder der Barzan Crew ihn schließlich aus dem Ozean „fischen“. |
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Er bekam einen Overall, Kekse und trank 4 Liter Wasser, nicht in einem Zug, aber das Treiben an der Wasseroberfläche bei starker Sonneneinstrahlung hatte ihn dehydriert. Natürlich war er erschöpft, die Augen dick und blaugeschwollen und sprechen war gar nicht möglich. Seine Schiffsführung wurde informiert, dann wurde er vom Rettungsboot seines Schiffes abgeholt. Seine Crewkollegen gaben auf Nachfrage des Bootsmanns von der Barzan Crew keine Auskunft über die Ursache dieses „Ereignisses“. Sie verwiesen auf die Schiffsleitung. Diese Antwort ermöglicht viel Spielraum für Fantasien und Spekulationen…nach Meinung einiger könnte es einen Konflikt an Bord gegeben haben, der auf diese Weise versucht wurde zu lösen...die Fantasien hierzu überlassen wir gern der Leserschaft. Fakt ist, dass es sich bei dieser Rettungsgeschichte um eine Hoffnungsstory handelt, auch der Bootsmann Aurelio hatte in seinen mehr als 30 Jahren zur See noch nie so etwas live miterlebt. Die jüngeren Filipinos, von denen gab es auf der Barzan einige, stimmt es zuversichtlich, dass selbst bei einem Unfall über Bord eine Überlebensmöglichkeit besteht. Bei all den schlimmen Neuigkeiten, die die Presse seit Jahren überschattenden Themen wie Pandemie, Bürgerkrieg in Myanmar und Krieg in der Ukraine, war es uns ein Anliegen, dass die Menschen auf dem Festland auch mal eine wunderbare echte Geschichte von Seeleuten erfahren, die sehr anschaulich die Solidarität und Verbundenheit miteinander aufzeigt. Die Crew hat als Anerkennung für ihre außergewöhnliche Rettungsaktion auch ein Geschenk ihrer Reederei erhalten. |
Für meinen Ehrenamtlichen Philippe und mich sind sie, die Crew von der Barzan, unsere Helden und das haben wir ihnen natürlich auch so gesagt. Ihnen zumindest die verbale Anerkennung gezollt, die sie verdienen…die Geschichte erhellte nicht nur unseren Tag, sondern klingt seitdem positiv in uns nach. Es ist schön zu wissen, dass in dieser großen Community von ca. 1,5 Mio. Seeleuten weltweit manchmal eben doch jedes einzelne Menschenleben zählt und zwar echt und ehrlich. Auch wenn es unbequem ist, einen von der Route abbringt und teuer, weil man ja mit dem Zeitplan in Verzug gerät…ein nachahmungswürdiges Beispiel von allen Seiten: der Reederei, dem polnischen Kapitän und der Crew. Thank you, guys, for what you did & thank you so much for sharing, you are REAL HEROES! Euer Einsatz ist UNBEZAHLBAR! Text: Seemannsdiakonin Silvie Boyd, Fotos: DSM Le Havre und Crew MV "Barzan" |