Deutsche Seemannsmission
Klartext statt Bleigießen
5 Botschaften von Matthias Ristau (52)
Liebe Freundinnen und Freunde der Seemannsmission,
2022 geht in die letzte Runde, und mir ist es als Generalsekretär der weltweiten Deutschen Seemannsmission wichtig, ein paar Gedanken mit Ihnen zu teilen. Genauer gesagt sind es 5 konkrete Botschaften, die mir sehr am Herzen liegen!
1. Ukraine-Krieg:
Der brutale Angriffskrieg Russlands schockt uns alle. Corona ist kaum vorbei, da kommt mit dem Krieg die nächste furchtbare Krise, die auch viele Seemannsfamilien auseinander reißt.
Ein Kollege erzählte mir neulich von einer Begegnung mit einem ukrainischen Offizier, vielleicht knappe 40, auf einem Massengutfrachter im Hamburger Hafen: Seine Frau konnte mit den Kindern gerade noch aus Donezk nach Irland fliehen, seine Eltern nach Georgien.
Er selbst pendelt zwischen Europa und Südamerika, bringt uns Sojabohnen. Die Augen des Mannes waren voll tiefer Trauer und Verzweiflung.
Wie unmenschlich ist es, das Schicksal seiner Familie vom Schiff aus der Ferne verfolgen zu müssen und nicht wirklich unterstützen zu können? Unseren Seemannsdiakoninnen und -diakonen begegnen diese Schicksale täglich.
Um zu helfen, hat die Deutsche Seemannsmission hat einen Notfallfonds für die schlimmsten Fälle eingerichtet.
2. Landgang:
Ein internationales Grundrecht für Seeleute, das leider längst nicht in allen Häfen der Welt eingehalten wird. Unsere Stationsleiterin Karin Streicher und ihr Mann Markus berichten aktuell aus Douala/ Kamerun, dass Seeleute Weihnachten gar nicht von Bord konnten! Grund: Die Behörden hatten den Hafen komplett dicht gemacht, auch kein Mitarbeiter der Seemannsmission durfte an Bord gehen. In Douala sind Seeleute schon das ganze Jahr über quasi auf ihren Schiffen eingesperrt.
Das ist keine Ausnahme, leider nutzen immer noch viele Hafenbehörden und Regierungen das Thema COVID, um den Landgang der Seeleute massiv einzuschränken. Für sie wird das Schiff mehr und mehr zu einem Gefängnis.
Mich macht das unendlich traurig. Auch wenn die große Mehrheit der Seeleute in den meisten Häfen der Welt jetzt Landgang bekommt, gibt es immer noch Reedereien, die ihn generell verweigern.
Ich fordere Hafenbehörden, Politiker aber auch die Industrie auf, sich für das Grundrecht „shore leave“ einzusetzen! Seeleute müssen die Möglichkeit haben, sich in ihrer Freizeit frei bewegen zu können, wo und wann immer dies möglich ist. Alles andere ist gegen die Menschenrechte.
3. Expansionspläne:
In Piräus planen wir, einen Seemannsclub aufzubauen. Dort, im viertgrößten Hafen Europas, gibt es bislang kein derartiges Angebot für Seeleute und wir sind die einzige Seemannsmission dort.
Zudem haben wir am Panama-Kanal eine Station eröffnet, in Kooperation mit Mission to Seafarers. Andrea Meenken leitet unser neues Angebot in Panama und wir bauen die Arbeit dort weiter aus!
Besonders gestärkt haben wir darüber hinaus den Bereich Psycho-Soziale Notfall-Versorgung (PSNV), die von unserem langjährigen Mitarbeiter Dirk Obermann koordiniert wird. Dabei geht es um besonders schwere Krisensituationen an Bord wie zum Beispiel Piraterie, Todesfall oder Arbeitsunfälle.
Acht dieser Notfälle hatten unsere Experten in 2022! Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher liegen. Wir haben 30 erfahrene Mitarbeiter zu PSNV-Experten geschult, Dirk Obermann vernetzt uns in der Politik bis auf EU-politische Ebene!
4. Fundraising:
Wir sind froh, dass Henry Schwier ab Januar das Fundraising der Deutschen Seemannsmission für die weltweite und bundesweite Arbeit übernimmt. Henry wird uns helfen, die Deutsche Seemannsmission noch stärker in der maritimen Wirtschaft und bei anderen potentiellen Partnern zu verankern, damit sie unsere wichtige Arbeit unterstützen!
5. Meine Politik:
Ich setze mich mit ganzer Kraft dafür ein, unsere Vernetzung in die Politik zu stärken und die Förderung für unsere internationale Arbeit mit Seeleuten zu festigen und auszubauen! Da ist Vertrauen wichtig. Deshalb liegt mir viel daran, dass Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Kultur in unserer Geschäftsstelle in der Mattentwiete und unseren Stationen ein und aus gehen. Wir wollen eine Kultur des Austauschs leben! Ich bin überzeugt: Es geht nur gemeinsam mit Politik und Wirtschaft zum Wohle der Seeleute!
Von höchster politischer Stelle in Berlin wird uns übrigens signalisiert, dass unser Einsatz für die Seeleute weltweit von großer Bedeutung ist! Für dieses Vertrauen danke ich sehr.
Ein ebenso großer Dank geht an die maritime Wirtschaft, die unsere Arbeit für die Seeleute schätzt und uns wie die vielen privaten Spender finanziell sehr hilft, um gut für die Zukunft aufgestellt zu sein.
Liebe Freundinnen und Freunde der Deutschen Seemannsmission - mit diesen fünf Botschaften möchte ich Ihnen und Ihren Familien ein gutes und erfüllendes Jahr 2023 wünschen!
Ihr Matthias Ristau
PS:
Eine Bitte hätte ich noch an die Filmproduktionen von Serien wie „Das Traumschiff“ oder „Verrückt nach Meer“ (ist eigentlich abgesetzt, aber die Wiederholungen verkaufen sich offenbar prima!): Bitte bildet auch die Lebens- und Arbeitsrealität von einfachen Seeleuten in diesen Produktionen ab! Die Arbeitsbedingungen auf den Kreuzfahrtschiffen sind nämlich nicht für alle in der Crew traumhaft, wie unsere Experten der Seafarers’ Lounge in Hamburg wissen. Sie geben sicher gerne Auskunft!