Foto: Jochen Scheer / Brunsbütteler Zeitung
Deutsche Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V. hat wieder eine hauptamtliche Bordbetreuerin
Miss Maike bringt das Lächeln an Bord
Seeleutediakonin Maike Puchert übernimmt die Leitung des Bordbesuchsdienstes für den gesamten Hamburger Hafen. Am 5. April 2013 wird sie im DUCKDALBEN offiziell in ihr Amt eingeführt
Sicherheitsschuhe angezogen, in die Jacke mit den reflektierenden Streifen geschlupft, Tasche umgehängt, den Schutzhelm gegriffen, Handschuhe nicht vergessen und die Ausweise. Maike Puchert ist startklar. Heute Morgen fährt sie als erstes von ihrem Büro auf Waltershof Richtung Blumensand. Die Seeleute des Tankers POMER hatten angerufen und um einen Besuch gebeten. Sie haben keine Zeit für Landgang und möchten dringend günstige deutsche Telefonkarten kaufen. Die Seemannsdiakonin bringt den Kontakt zur Familie an Bord.
Die neue Bordbetreuerin der Deutschen Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V. macht sich auf zum Terminal Oiltanking. Seit den frühen Morgenstunden liegt das Schiff dort und löscht. Fröhlich meldet sie sich an der Sprechanlage: „Guten Morgen, Deutsche Seemannsmission, wir würden gerne die POMER besuchen.“ Die Schranke schwingt hoch, Maike Puchert fährt zum Parkplatz. Auf dem Tankterminal gelten besondere Sicherheitsvorschriften; das kleine rote Auto der Seemannsmission muß sie abstellen. Weiter geht’s mit dem Shuttle-Bus, den letzten Rest zu Fuß über die lange Pier, ein bißchen klettern, vor allem gut festhalten. Das Metall der Pier, der Stufen und an Deck ist rutschig, bedeckt von Schnee und Matsch.
Der Seemann, der in der Kälte Gangway-Wache hat, begrüßt sie schon von weitem. Er erkennt sie wieder. Beim letzten Anlauf vor vier Wochen, war die Diakonin ebenfalls an Bord. „Morgen werde ich abgelöst, endlich“, sprudelt es aus ihm heraus, „nach einem halben Jahr kann ich nach Hause auf Urlaub!“ Im Aufenthaltsraum heißt es erst einmal warten. Doch schnell spricht sich die gute Nachricht herum „Die Seemannsmission ist da!“ Als erster kommt der Chef der Maschine. Maike Puchert erklärt ihm die Tarife der Aufladekarte: „Ten Euro for thousand minutes landline!“ Tausend Minuten mit der Familie in Kroatien sprechen können - ein Strahlen erscheint auf dem Gesicht des chief engineer.
Telefon-, Auflade- und Simkarten hat die Bordbetreuerin für die Seeleute im Gepäck, sortiert morgens früh Listen mit Tarifen rund um den Globus in ihre Mappe, stellt Neuigkeiten aus den Heimatländern der Seeleute zusammen, sei es auf rumänisch, kroatisch, russisch, lettisch oder tagalog für die Filipinos; auf jeden Fall englisch, das ist die Alltagssprache. Wenn sie zu Dienstbeginn aus den Datenbanken die Schiffe heraussucht, die sie am Tag besuchen wird, schaut sie gleich, aus welchen Nationalitäten sich die Mannschaft zusammensetzt. „Überweisungsformulare habe ich in meiner Mappe dabei, denn oft nutzen die Seeleute den günstigen und sicheren Service im DUCKDALBEN, um ihre Heuer in die Heimatländer zur Familie zu überweisen. Wenn sie nicht selbst vom Schiff herunter können, vertrauen sie uns sogar ihr Bargeld an!“
Der Kapitän der POMER schaut herein, ob die Lady von der Seemannsmission noch einen Moment warten könne? Einige seiner „Jungs“ möchten sich noch eindecken. Ein Plausch entspinnt sich mit einem kroatischen Decksmann. Er gerät ins Schwärmen, als Maike Puchert sich erkundigt, wo genau in Kroatien denn Pula, der Heimathafen des Schiffes, liege. „Mit Kroaten kann man sich gut über Sport und natürlich über das Land unterhalten. Diese kleinen Gespräche mit dem Seemann finde ich bereichernd, immer wieder.“
Die Top Themen sind ihrer Erfahrung nach als allererstes Familie, Frau, Zahl der Kinder, gefolgt von Berichten, aus welcher Region in seinem Heimatland der Seemann stammt, was es dort zu sehen gibt, schließlich der Alltag an Bord. „Wenn der Erste Offizier grau im Gesicht aussieht, frage ich ‚How long did you sleep, you look tired‘, und er redet sich von der Seele, wie anstrengend die letzte Nacht war, die Elbe hinauf bei Schneetreiben als er Wache hatte.“ Die unbeschreibliche Angst vor Piraterie lastet auf den Seeleuten, gar das Erleben am eigenen Leib, noch Monate, Jahre später. Sorgen und Nöte dringen ans Ohr der Diakonin, manchmal schnell auf dem Gang zugewispert. „Auf dem Schiff haben die Wände Ohren. So mancher Seemann nutzt lieber den geschützten Raum des DUCKDALBEN für ein ausführliches Gespräch.“ Die Verzahnung der Bordbetreuung und des international seamen’s club sei enorm wichtig, hebt Puchert hervor. Dazu trägt bei, daß ihr Büro und die Geschäftsstelle der Deutschen Seemannsmission Hamburg-Harburg jetzt unter einem Dach mit dem Club zu finden sind. „In erster Linie empfinde ich mich als Dienstleisterin, ich bringe den Kontakt zur Heimat. Unsere Aufgabe ist sehr vielfältig: Bank, Wechselstube, Poststelle, wir geben touristische Informationen zur Hansestadt, haben einen kleinen shop, bieten Billard, Tischtennis, Karaoke, wir sind ein Club für die Freizeit. Wir missionieren nicht. Wir nehmen jeden Menschen wie er ist. Aber wir haben eine Mission, eine Aufgabe, die da heißt: support of seafarers‘ dignity.“ Die Würde der Seefahrer zu unterstützen, das ist das Leitbild der Deutschen Seemannsmission.
Weiter geht’s, von der POMER zur BONITA. Sie ist schon zu sehen, löscht um die Ecke am Kalikai. 21 Filipinos und ein Seemann aus Burma fahren auf dem Massengutfrachter. Maike Puchert nimmt ihren Helm ab, der Koch zur Begrüßung seine schneeweiße Mütze. Sie legt den newsletter auf Tagalog aus, nimmt den DUCKDALBEN-Flyer zur Hand und erklärt, umrahmt von Koch und Zweitem Ingenieur, das Angebot des international seamen’s club. Wie kommen wir dorthin? Ah, ein kostenloser Shuttle Service! Immer mehr Zuhörer scharen sich um die Bordbesucherin, folgen aufmerksam ihren Worten und ihrem Zeigefinger: Zu jeder Erklärung tippt sie im Flyer auf das passende Foto des Angebots im Club, so haben die Seeleute gleich ein Bild, können sich die Atmosphäre vorstellen. Die Crew ist begeistert. Wie lange hat der Club geöffnet? Wo sind wir und wie lange dauert es bis zum Club? Maike Puchert wendet sich zum Fenster, will die Richtung zeigen, die Scheiben sind beschlagen, der Koch wischt mit der Hand einen Spalt frei. Dort hinten, hinter all dem Metallgestänge, dem Gewirr aus Tankanlagen, Hafenkränen, Containerbrücken, dort unter der großen geschwungen Brücke, da ist der Seemannsclub. Seht Ihr? Sehnsüchtig schauen die Seeleute durchs Weiß und Grau draußen, vielleicht ist heute Abend Zeit.
„In diesem Moment dreht sich alles um den Seemann, das sollen die Seeleute spüren, so fasse ich Bordbetreuung auf. Denn kaum ist ein Schiff im Hafen, kommen Zoll, Agent, Polizei, Lieferanten, Techniker und viele mehr an Bord, die alle etwas wollen, deren Anliegen bearbeitet werden müssen.“ Jeder ihrer Besuche sei anders, das wisse man nie vorher. Fingerspitzengefühl müsse man entwickeln. „Manchmal hat die Besatzung so viel zu tun, daß ich nach drei Minuten wieder runter vom Schiff bin oder nicht weiter als bis zur Gangwaywache komme. Ein anderes Mal ergibt sich ein langes Gespräch. Wie im Herbst mit dem jungen Seemann draußen auf einer Bank an Deck, der als 20jähriger die Familie ernährt, Mutter und zwei kleinere Geschwister, weil der Vater tot ist. Eine große Verantwortung, schwer für ihn, zugleich hat er großen Ehrgeiz es zu schaffen und war auch ein bißchen stolz“, erzählt die neue Bordbetreuerin.
Die Neue ist eigentlich ein „alter Hase“: Bereits 2004 hat Maike Puchert im DUCKDALBEN ihr Freiwilliges Soziales Jahr abgeleistet, wollte danach Schifffahrtskauffrau werden. Es kam anders. Ihr „Wegweiser“ war damals Arne Wesseloh, heute stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V. „Wenn Du etwas mit den Menschen machen willst“, habe er zu ihr gesagt, „empfehle ich Dir die Seemannsmission.“ Sie ist dabeigeblieben, hat später am Rauhen Haus in Hamburg Sozialarbeit studiert und den Abschluß als Diakonin gemacht, hat nebenher im international seamen’s club gejobbt und sich ehrenamtlich engagiert. Bis sie in Brunsbüttel 2010 als zweite Diakonin in der Seemannsmission eingestellt wurde, allerdings nur befristet. So kam die freie Stelle als Bordbetreuerin in Hamburg gerade recht. Damit hat sie die Lücke gefüllt, die mit dem Ruhestand von Heinrich-Walter Brokmeier entstanden war. Die zwei Jahre Vakanz haben Ehrenamtliche überbrückt. Auf zwölf erfahrene Freiwillige kann die hauptamtliche Bordbetreuerin zählen. Noch ist nicht jeder Tag abgedeckt. „Das ist mein vorrangiges Ziel: Unsere Betreuung im riesigen Hamburger Hafen an allen sieben Tagen der Woche!“ Bekannter machen will die 26jährige diesen Service, vor allem an Land, Kontakte knüpfen, für die Arbeit werben.
Zurückgekehrt ins Büro füttert die Seemannsdiakonin den Computer mit den neuesten Daten. Ihre Liste derjenigen Schiffe im Hamburger Hafen, die den Vermerk tragen „noch nicht besucht“, ist am Ende des Tages erfreulich geschrumpft.
Wenn die gebürtige Wilhelmshavenerin schließlich nach Hause kommt, hört die Bordbetreuung noch lange nicht auf: „Ich schreibe e-mails nach See, diesmal privat. Mein Freund, meine Schwester, deren Freund – sie alle fahren zur See. Von meiner Familie weiß ich, wie lebensnotwendig für Seefahrer die Verbindung zur Heimat ist.“
Angelika F. Pfalz