Lukas 8, 22-28, Predigt Pfarrer Carl Osterwald am Männersonntag in Leer

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Predigt zum Männersonntag in Leer
am 16.09.2007
Pfarrer Carl Osterwald

Lukas 8, 22-28


Liebe Gemeinde!

Die Männerwoche in Leer steht unter der Überschrift: MÄNNER UND MEER
und der Gottesdienst heute soll das Thema haben: WIE WIND UND WEITE UND
WIE EIN ZUHAUS.

Im Evangelium gehört was die Jünger mit Jesus auf dem Meer erlebt haben. Die Geschichte beginnt mit dem Satz: „Und sie stießen vom Lande:“

Und sie stießen vom Lande
Wer in See sticht, läßt alles Feste hinter sich, übergibt sich anderen Element: dem Wasser. Wasser hat keine Balken. Wasser ist weich, man stößt sich nicht, Wasser - besonders wenn es warm ist - ist angenehm, es streichelt, umschmeichelt, wohltuend, kann sich treiben lassen: Wasser trägt. Wunderbares Gefühl: werde getragen. Gerate ins Schwimmen, aber genieße das, beim Schwimmen und im Bauch des Schiffes: werde getragen. Wunderbar.
Und sie stießen vom Lande
Wer zur See geht läßt nicht nur Feste hinter sich, sondern auch Vertraute: Heimat, zu Hause. Was das bedeutet, beschreibt ein junger englischer Schiffsoffz. in einem Gedicht: „Unwritten Letter“ - auf deutsch: „Ungeschriebener Brief“ : „Mein Mädchen, mein liebstes Mädchen weint/ sie lebt dahin durch winterliche Nacht/ und betet um den Frühling, wenn ich wieder bei ihr bin// Was für Traurigkeiten bring ich ihr/ wenn ich schreibe/ von durchsonnten Stätten und Menschen/ die sie niemals sieht/ und andern Mädchen// Das Schlimmste/ die Reise, die schon bald zu Ende war, ist nun verlängert worden/ und muß weitergehen/ weiter/ weiter/ wie soll ich schreiben und ihr dieses sagen?“
Und die Reise führt in die Fremde, in immer neue Fremde: andere Sprachen, andere Währungen, andere Sitte, Moral, Religion. Alles gerät ins Schwimmen.
In der Fremde begegnet nichts Vertrautes, alles ist ungewohnt, fremd, und auch zu Hause irgendwann nicht mehr mitreden, weil vieles nicht mitgekriegt. Und an Bord? Wie sollen wir uns verstehen? Kollege Moslem, kein Alkohol, kein Schweinefleisch.-- Kollege Inder, kein Rindfleisch. Fromme Leute. Chinese versteht beide nicht. Unterhalten geht nicht,- „alles okay?“-“alles okay!“ Das war´s.

Menschenwürdiges Leben? So allein, immer allein - Wohnen in Einzelkammer, klimatisiert, sauber, eingeschlossen in Stahl- und Eisen- und Kunststoffwelt, aus es kein Entkommen gibt, - die Maschine brummt, die Schraube poltert, das Schiff vibriert, die Gänge sind leer kein Mensch zu sehen. Wachwechsel: „Alles okay?“ - „alles okay!“
Welt ist weit und schön- nur- ich sehe sie nicht. Ich sehe nur Wasser und Container und Kräne und Stapler - Im Hafen wächst kein Baum. (kein Hafen mehr,sondern Container-Terminal) und dann geht es weiter und weiter und es ist alles und immer wieder dasselbe.
Ein menschenwürdiges Leben? Wer fragt denn nach mir? Wer bin ich denn? Ich als Mensch. Gehetzt von Müdigkeit zu Müdigkeit - und dann wieder gebunden in endlose Wachen, von Langeweile zu Langeweile. Wer bin ich denn schon, wer fragt nach mir? Die weite Welt, was bietet sie? Da ist nichts Festes, nichts Vertrautes, kein wärmendes zu Hause. Da ist nur Wind und Weite und der Wind ist kalt und die Weite ist leer. Und das Wasser ist nicht nur angenehm: es ist oft genug rau und kalt und feindlich.


Seefahrt ist Not - jawohl: Not - innere und äußere - und nötig ist sie auch: Ohne Seefahrt kein Handel und ohne Handel kein Wohlstand. Wo wären wir denn als Exportnation Nr.1 ohne Schifffahrt? Zwei Drittel des Gütertransports gehen über Schiffe. Und Schiffe fahren nicht ohne Menschen.

Jetzt sollten wir eine kleine Pause machen - in in unseren Gedanken - und nichts tun, als an die Seeleute denken Frauen und Männer an Bord und ihnen - das geht auch nur in Gedanken - einmal ausdrücklich danken für das, was sie für unseren Wohlstand tun. Wir verdanken unseren Wohlstand zu einem ganz großen Teil den Seeleuten. Mit diesem Dank können wir ihnen ein Bisschen von der Würde zurückgeben, die sie auf ihrer Reise verlieren.

Seeleute leben in einer globalisierten Welt. Immer so gewesen. Wort Globalisierung ist neu. Und dieses Wort faßt und bündelt alle Probleme, denen Seeleute ausgesetzt sind. Heute spüren diese Globalisierung mit ihren verwirrenden kaum überschaubaren Problemen nicht nur Seeleute. Auch wir sind dieser Globalisierung ausgesetzt mit allen Konsequenzen. Nicht nur Seeleute haben alles Feste hinter sich gelassen, sind ins Schwimmen geraten. Es geht uns heute in unserer modernen Welt nicht viel anders: auch wir sind ins Schwimmen geraten, auch uns ist das Feste und Gewohnte abhanden gekommen. Dieser Prozeß verunsichert radikal und fundamental, geht an die Wurzel und ans Fundament.
Und es kommt eine Sehnsucht auf nach festen gültigen Werten, nach einer Leitkultur, nach verbindlichen Idealen, nach irgendetwas Festem, an das man sich halten kann: es kann doch nicht alles gleichgültig sein?! Aber es hilft uns nichts: da ist nichts Festes. Es ist alles im Schwimmen. Es gibt keine Sicherheit. Sicherheit ist eine Illusion. Schwimmen ist unser Schicksal. Und wir schwimmen ja auch ganz gut, wir lavieren uns so ganz gut durch.

Und dann kommt der Sturm, die Katastrophe: Wer das im Fernsehen miterlebt hat, am 11. Sept. 2001 wird die Bilder nicht wieder los, wie die Flugzeuge ins World Trade Center rasen. Und jetzt sehen wir fast Abend für Abend in der Tagesschau die Bilder aus dem Irakkrieg, Und wir haben das sichere Gefühl: So, auf diese Weise, Gewalt und Gegengewalt und immer wieder Gewalt, auf diese Weise geht es nicht. Und wir wollen das auch nicht: wir wollen keine Gewalt, wollen keine Zerstörung. Aber wir können es nicht ändern.
Wir wollen Leben. Und dann sehen wir die Bilder aus den Hungergebieten, und wissen, daß jetzt, in diesem Augenblick, ein Kind Hungers stirbt und wir können es nicht verhindern. Stehen da wie die Jünger im Boot: das Wasser steigt und wir sind machtlos.

Wir Menschen können viel, können den Mars von hinten photographieren und immer neue Bomben entwickeln, aber stehen hilflos vor dem millionenfachen Elend; hilflos, wie Seeleute im Sturm, wie die Jünger im Boot.-- Im Sommer trafen sich in Heiligendamm die Chefs der mächtigsten Länder dieser Welt - schon fast wieder vergessen. Ergebnisse ihrer Beratungen waren hilflose Schläge ins steigende Wasser. Was kann uns helfen? - Müssen wir hinwerfen?

Die Jünger wecken Jesus. Können wir das auch? Können auch wir Jesus mit in unseren Sturm nehmen? Was soll denn passieren, wenn wir jetzt Jesus in unsere Unsicherheiten, in unser Schwimmen einbeziehen? Und, wie kann das konkret geschehen?

Im Evangelium passiert im Sturm zweierlei:
1. Jesus schafft Stille: „und es ward eine Stille.“
2. Die Jünger fürchten sich.
Die Jünger erfahren in der Stille: Das Wasser trägt. Wir gehen nicht unter, das Wasser trägt.

Sie sind nun merkwürdigerweise nicht erleichtert: Gottseidank! Alles noch mal gutgegangen, sondern sie fürchten sich. Sie haben in der Stille begriffen, worum es geht. In der Stille haben sie den Ernst begriffen. So ernst ist der Sturm, so ernst ist ist der Mann, der da steht.
In jeder Kirche steht das Kreuz. Und jedes Kreuz sagt: begreift es: so ernst ist das. Es geht ums Ganze, es geht um Tod und Leben. Und der Sturm ist kein Ereignis, das vorübergeht und hinterher ist wieder alles in Ordnung, - wenn ein Kind Hungers stirbt, ist nichts wieder in Ordnung, dann ist das Kind tot. Das, worum es geht, ist todernst.

Was soll ich tun?
Auch ich werde in die Stille geführt und wie die Jünger nach meinem Glauben gefragt: „Wo ist dein Glaube?“. In der Stille bin ich mit mir allein. Ich habe kein Gegenüber. Ich kann keinen fragen, nur mich selbst, sonst ist keiner da. Und ich frage mich: Wer bin ich? - Was soll ich? -
Es gibt in unserer Sprache ein schönes Wort, es heißt „Erinnerung“. Ich kann erinnern, ich gehe nach innen. Und ganz tief innen finde ich den Urgrund meines Seins: „Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat.“ Bin kein Zufallsprodukt, bin Mensch und Mensch soll ich sein, ausgerüstet mit allen Fähigkeiten zu Leben und Leben zu gestalten, so, daß ich leben kann und meine Nachbarn auch.
Als Mensch bin ich Nachkomme Adams. Adam hat vom Baum der der Erkenntnis gegessen: er weiß was gut ist und was böse. Er ist „wie Gott“. „Ihr werdet sein wie Gott“ und es ist passiert: wir sind wie Gott und wie Gott sind wir verantwortlich für dieses Leben. Ich bin verantwortlich für das Leben, mein eigenes, das meines Nachbarn im Dorf und in der Weite der Welt.
Und wenn nun auch alles ins Schwimmen geraten ist, ich habe keine Angst, ich gehe nicht unter: das Wasser trägt. Das Wasser trägt, rudern muß ich und segeln und die Maschinen bedienen und navigieren und das kann ich auch, ich bin ein Mensch mit allen Fähigkeiten zu leben und Leben zu gestalten.
Ich lebe in Wind und Weite ganz getrost und mit klarem Kopf. Ich brauche nichts Festes, keine Lehrsätze und keine Dogmatik. Ich lebe in der Freiheit der Kinder Gottes, mein Glaube trägt. Dies kann mir niemand nehmen und ist in der Stille immer wiederzufinden. Ich kann es in einem Satz sagen: Ich weiß, wer ich bin: Ich bin geliebt in alle Ewigkeit.
In diesem Glauben bin ich zu Hause. In Wind und Weite und doch geborgen und auch wenn nichts Festes da ist, wenn ich auch schwimme, ich gehe nicht unter: das Wasser trägt.

Ein solcher Glaube hat natürlich Konsequenzen. Zinzendorf hat diese Konsequenzen einmal in einen sehr schönen Satz gefaßt. Er sagt: „Um mich habe ich mich ausgekümmert.“ Und das heißt doch: jetzt bin ich frei. Frei in Wind und Weite. Und auch wenn der Wind kalt wird und rau und die Weite leer und öde, ich bin doch zu Hause, geborgen in Gottes Liebe, die mich trägt. Und sie trägt mich genau an die Stellen, wo ich sie weitergeben kann und soll.

Dies zum Schluß: „Lieben“ ist ein Tu-wort.
Den Ort brauche ich mir nicht zu suchen. Er ist da, wo ich bin.
Das Evangelium gibt uns die Gewißheit und Zuversicht: Gottes Liebe wird die Welt verwandeln. Wir brauchen nicht hinzuwerfen. Wir gehen nicht unter: „We shall overcome“
Aber das ist kein Kinderspiel und es geht nicht ohne uns.

Und der Friede Gottes ...


 

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