Seit 30 Jahren gibt es die Seemannsmission Sassnitz / Leiter Peter Leukroth fuhr selbst zur See.
Sassnitz. Wenn man heute auf den Sassnitzer Stadthafen blickt, erinnert kaum noch etwas an die Zeit, als das Gebiet als Fischereihafen, Fährhafen und in einem gesonderten Bereich militärisch genutzt wurde. „Das war hier alles mal Fischerei“, sagt Peter Leukroth, der die Seemannsmission Sassnitz-Stralsund leitet. Sie feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen.
Der 66-Jährige ist zu DDR-Zeiten schon zur See gefahren, war nach der Wende unter anderem Bootsmann auch für philippinische Seeleute. Er kennt deren Probleme. „Die ganze Seefahrt wird ja immer einsamer. Früher, wenn mal einer nicht mehr konnte, weil er noch müde war, da hat man gesagt: ‚Du lässt dich nicht sehen, wir machen jetzt alles mit.‘ Das geht nicht mehr. Wenn heute einer fehlt von der Besatzung, dann kann das Schiff nicht auslaufen.“ Er weiß auch, wie es ist, wenn man im Ausland unterwegs ist. „Man kann nirgendwo hin, alles ist verschlossen, wenn du kein Geld hast.“ Und Geld haben zumindest die einfachen Seeleute nur sehr wenig – und das meist noch in Dollarnoten.
Leukroth, der in Sagard wohnt, organisiert Ausflüge für die Besatzungen in den nahegelegenen National- oder den Tierpark, aber auch zum Einkaufen. Er kann sich gut in die Crews hineinfühlen: „Ich habe auch schon mal acht Monate auf einem Schiff verbracht. Du denkst gar nicht mehr. Du stehst früh auf, machst deine Arbeit. Das kann ziemlich stupide sein.“ Leukroths Team nimmt die Seeleute mit in die Natur. „Die sind aus dem Auto gesprungen, haben sich ins Gras geschmissen und gegenseitig fotografiert. Die waren schon sieben, acht Monate unterwegs“, erzählt er über den Ausflug mit einer Crew. Es sind die Momente, in denen er genau weiß, wie wichtig seine Arbeit ist. Zumal die Seeleute unentbehrlich für das Wirtschaftsleben sind und es ermöglichen, dass die Menschen hierzulande Waren aus aller Welt kaufen- und deutsche Produkte dorthin verschifft werden können.
Leukroth stammt aus Nebra in Sachsen-Anhalt. Der Arbeit wegen ist er nach Rügen gekommen und geblieben. Als Seemann ist er von Immingham an der britischen Ostküste nach Belgien, London, Göteborg, Helsinki gefahren „Das hat schon Spaß gemacht.“ Als die Wiedervereinigung kam, wollte er den Seeleuten, etwas zurückgeben, wie er es ausdrückt. „Und genau aus diesem Grund mach ich das.“
Die Deutsche Seemannsmission Sassnitz wurde 1994 von Pastorin Thurid Pörksen gegründet. Pörksen war auch Vorsitzende des Grundtvighaus-Vereins. Die Seemannsmission durfte die Räume in der Seestraße 3 für ihre Arbeit nutzen. Die Anfänge waren klein. Mit einem Bus ging es zum Hafen, um Kleiderspenden für Kinderkrankenhäuser in Litauen zu verschiffen, sowie den Besatzungen
Bis Mitte Mai 2013 war das Grundtvighaus die Anlaufstelle für Seeleute. Doch der Verein musste aus finanziellen Gründen die Arbeit einstellen. Durch die Hilfe lokaler Unternehmen und private Spenden konnte die Arbeit 2016 weitergehen.
Heute ist die Seemannsmission eine Oase für Seeleute, für die es sonst überhaupt kein Angebot gäbe. Der Seemannsclub ist in den ehemaligen Räumen der Zollabfertigung des Fährterminals im Fährhafen, der sich seit 1998 in Neu Mukran befindet. Peter Leukroth und sein Team betreuen die Besatzungen von Stückgutschiffen, Massengutfrachtern oder Schiffe der Off-Shore-Industrie. Von den gut 40 Vereinsmitgliedern sind zehn ehrenamtlich im Club im Einsatz.
Wenn die Seeleute im Stadthafen ankommen, rufen sie in der Seemannsmission an und das Team holt sie zum Seemannsclub nach Mukran. Für die meisten Seeleute liegt der Club nur 300 Meter zu Fuß entfernt. Die Ehrenamtlichen sind außer samstags von 19 bis 22 Uhr für die Seeleute da. Im Club können die Crews während ihres Landgangs etwas Abstand vom Bordleben finden, Billard, Tischtennis oder Gitarre spielen. Es gibt W-LAN und einen kleinen Shop. Wer mag, findet im Raum der Stille Zeit für ein Gebet.Die letzten Jahre vor dem Ruhestand war Peter Leukroth Betriebsrat bei der Stena Line Deutschland, bis das schwedische Unternehmen die sogenannte Königslinie von Sassnitz nach Trelleborg 2020 einstellte. „Das war so traurig, nach 38 Jahren. Die kürzeste Fährverbindung zwischen Deutschland und Schweden, die hat man gestrichen.“
Von der Seemannsmission erfahren hatte Leukroth über seine zweite Ehefrau, die sich inzwischen um die Finanzen des Clubs kümmert. Er hatte sie dienstlich kennengelernt. Sie arbeitete damals auf der Fähre, auf der Leukroth seinen Dienst tat. Ihr Vater suchte noch junge Leute für die Seemannsmission. Auch er sucht jetzt wieder ehrenamtlichen Nachwuchs, um alles am Laufen zu halten. Er selbst sagte damals zu, schließlich interessierte er sich für die Tochter.
Das Ehrenamtsteam ist international aufgestellt, darunter ist auch ein chinesisches Paar und einige Filipinos, was Sprachbarrieren senkt. Leukroth und sein Team haben sich Anfang August neue Räume im Stralsunder Hafen angeschaut. Dort möchten sie noch einen Seemannsclub eröffnen. Unter dem Dach der Seemannsmission Sassnitz. Die Immobilie gibt es schon, der Rest wird sich fügen, da ist er voller Vertrauen.