Abschied nach 125 Jahren: Seemannshotel Bremerhaven
„Ein warmes Zimmer, ein gutes Frühstück, gute Gespräche, was will man mehr?“
Bremerhaven. Nach 125 Jahren hat die Deutsche Seemannsmission Bremerhaven am Samstag, 13. Dezember ihr Seemannshotel Portside geschlossen. Ehren- und Hauptamtliche, Ehemalige und Weggefährten nahmen mit einem Gottesdienst und anschließendem Kaffeetrinken Abschied vom Haus in der Schifferstraße 51.
Die sich verändernden Bedürfnisse der Seeleute, die wirtschaftlichen Entwicklungen und die Verlagerung von Schwerpunkten der seemannsmissionarischen Arbeit in Bremerhaven hatten dazu geführt, dass das Seemannshotel zu Ende November seinen Betrieb einstellen musste. Die Seeleute bleiben aus, aufgrund kürzester Arbeitsverträge ist das Seemannsheim in dieser Größe als diakonische Einrichtung nicht mehr zeitgemäß. Konzeptionelle Überlegungen, die Vereinsfinanzen, stetig steigende Kosten für Personal, Betrieb, Unterhalt und immer dringlicher werdende Sanierungsarbeiten im Gebäude ließen dem Verein Deutsche Seemannsmission Hannover e.V. keine andere Wahl, als das Haus zu schließen.
„Unser Seemannsheim hatte seine Zeit. Es war eine gute und für viele eine segensreiche Zeit, für manche eine anstrengende, für viele andere eine lustige Zeit, eine lehrreiche, eine ruhelose eine erfüllende Zeit“, sagte Seemannspastor Uwe Baumhauer, der den Standort leitet. Respekt und Hochachtung brachte Baumhauer all jenen gegenüber zum Ausdruck, die im Auftrag der Seemannsmission, im Dienst der Seeleute gearbeitet, gelebt, geliebt und gelacht haben.
Blick in die Geschichte
Die Blüte der Kolonialzeit bringt eine stetige Erweiterung der Häfen in Bremerhaven mit sich. Die Anläufe der Handelsschiffe nehmen merklich zu und damit auch die Zahl der Seeleute. Die bis dato vorhandenen Möglichkeiten, Seeleute zu betreuen und unterzubringen, reichen bei Weitem nicht mehr aus.
1900-1944
Im August 1899 begann der Bau des Seemannsheims in der Schifferstraße, das 1900 eingeweiht wurde. Auf vier Etagen konnten bis zu 35 Seeleute untergebracht werden. Im Ersten Weltkrieg diente das Haus als Lazarett. Im Zweiten Weltkrieg wurde es militärisch genutzt. Bei einem Bombenangriff am 18. September 1944 wurde das Gebäude einschließlich Inventar und Archiv durch insgesamt 16 Bomben vollständig zerstört. Was vom Haus übrig blieb, waren Schuttberge. Damals wurden 97 Prozent der Stadt Bremerhaven zerstört. 618 Menschen starben, 30.000 verloren ihr Zuhause.
Wiederaufbau
Der 25. Oktober 1950 markierte einen Neuanfang, das neue Seemannsheim, am selben Standort in der Schifferstraße, wurde eingeweiht. Die 500.000 DM-Baukosten wurden aus Rücklagen, Spenden und insbesondere durch die Hannoverische Landeskirche aufgebracht.
Das Heim konnte mit bis zu 120 Betten bestückt werden. Es galt als sicherer Ort für Seeleute in den Häfen der Nachkriegszeit. Gerade in der Blüte der Hochseefischerei war es für die Seeleute von großer Bedeutung. Das Leben im Hafen war geprägt von Alkohol und Prostitution. „Den Männern fehlten zwischenmenschliche Beziehungen, sie vereinsamten, teils verwahrlosten sie mangels sozialer Kontakte“, blickte Annette Moritz zurück.
Mit dem Niedergang der Fischerei Ende der 70er Jahre bleiben auch die Fischer im Fischereihafen aus. Das Seemannsheim im Fischereihafen trägt sich nicht mehr und wird geschlossen. Die Arbeit konzentriert sich von da an auf das Haus in der Schifferstraße, das im Jahr 1979 22.500 Übernachtungen zählte.
Neue Ära durch Containerschiffe
Mit der Einführung der Containerschifffahrt begann eine neue Ära und somit auch für die Arbeit der Seemannsmission. Immer kürzere Liegezeiten und komfortablere Unterbindungsmöglichkeiten an Bord verlangten nach einem Wandel in der Betreuung der Seeleute. Und so wird im Februar 1978 die „Gute Stube“, der europaweit erste Seemannsclub, der sich direkt im Containerhafen in der Nähe der Schiffsliegeplätze befand.
Immer kürzere Liegezeiten führen zu immer weniger Übernachtungen im Seemannsheim. Und so wird die Anzahl der Zimmer stetig reduziert. Die Jahresberichte erzählen eine Geschichte von finanziellen Sorgen und Überlegungen, wie es weitergehen konnte.
Die 80er Jahre bringen erneut Veränderungen für das Haus mit sich. Vermehrt kurzfristige Aufenthalte im Seemannsclub Gute Stube und im Seemannsheim nahmen stetig zu.
Sozialer Treffpunkt und sinkende Buchungszahlen
„Das Seemannsheim der Schifferstraße ist mehr als nur ein Haus mit Zimmern für Seeleute. Es ist ein sozialer Treffpunkt. Es ist der Ort, an dem die Seemannsmission nach außen sichtbar ist“, beschreibt Diakon Thomas Reinold die Bedeutung des Hauses. Das Heim öffnete seine Türen für Veranstaltungen. „Die Seefahrt verknüpfte sich mit den Menschen in Bremerhaven. Die Übernachtungszahlen schwankten. Jedes Schwächeln der Wirtschaft ließ sich unmittelbar an den Übernachtungen ablesen“, so Reinold weiter.
Spätestens seit der Verabschiedung des Internationalen Seearbeitsgesetzes im Jahr 2006, haben alle Seeleute weltweit Anspruch auf eine bezahlte Unterbringung im Hotel. Auch die soziale Absicherung im Ruhestand verbessert sich deutlich. Die Ansprüche an Ausstattung, Service und Komfort stiegen deutlich.
Neues Gesicht für das Seemannsheim
Anfang der 2000er wird das Haus noch mehr als bisher nach außen geöffnet, Aufenthaltsräume werden auch anderen Gruppen zur Verfügung gestellt. Der Verein baut um, renoviert, modernisiert. 16 der 24 Zimmer erhalten moderne Möbel und eigene, moderne Badezimmer. Die Lobby wird neugestaltet.
Um nicht mit einem Pflegeheim verwechselt zu werden, wird das Haus in Seemannshotel Portside umbenannt. Crews der Kreuzfahrtschiffe nutzten das Hotel als Anlaufstelle während der wenigen Stunden an Land. Fast 7.000 Übernachtungen und gut 2.000 Gäste zählte das Seemannshotel vor Corona. Während der Pandemie werden zwei Quarantänestationen für Seeleute eingerichtet. Auf diese Weise kam das Hotel ohne allzu große Blessuren durch die Jahre 2020 bis 2023.
Doch die Buchungen für Seeleute gehen kontinuierlich zurück. Nicht selten werden Seeleute nur noch für ein paar Stunden ohne Zimmerbuchung in der Lobby „geparkt“. Die Modernisierungen im Hotel führen nicht zum erhofften Erfolg.
Harte Entscheidungen sind nötig
„Personal-, Betriebs- und sich häufende Reparaturkosten, die anstehenden Sanierungen für Heizung, Dach, Treppenhaus, Brandschutz, Fenster, noch nicht renovierte Zimmer bei gleichzeitig rückläufiger finanzieller Unterstützung durch die Landeskirche Hannovers sind schließlich so hoch, dass eine Refinanzierung durch betriebliche Einnahmen vollkommen unrealistisch wird“, sagte Thomas Reinold beim Rückblick. „Die bittere Erkenntnis, zu der der Vorstand nach langen Ringen kommt, als diakonische Einrichtung ist das Hotel nicht mehr zu halten. Die Ära der Seemannsheime geht nach Bremen, nun auch in Bremerhaven, endgültig zu Ende“, so Reinold weiter.
Jörg Moritz vom Team des Seemannshotels teilte einen Eintrag von Mitte November 2025 aus dem Gästebuch: „Sieben Wochen war ich hier und habe es genossen, mich wie zu Hause gefühlt. Ein warmes Zimmer, ein gutes Frühstück, gute Gespräche, was will man mehr? Tausend Dank an das ganze Team, alles Gute.“
„Das Segensreiche und Gute, was hier geschehen ist, geht nicht verloren mit der Schließung dieses Hauses. Diese Erfahrung ermuntert uns, nicht weniger als bisher, aber dafür an anderer Stelle für die Seeleute einzutreten“, sagte Baumhauer.
Grußworte
Die Entwicklung in Bremerhaven decke sich mit Beispielen aus der Geschichte der Deutschen Seemannsmission, sagte Matthias Ristau, Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission. „Im 19. Jahrhundert gab es Arbeitsformen, die nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurden, weil sie nicht mehr nötig waren. Um 1900 gab es die Deutsche Seemannsmission an 40 Orten. Heute sind wir bei 33.“ Im Namen des deutschland- und weltweiten Netzwerkes der Deutschen Seemannsmission dankte Ristau allen, „dass dieses Haus ein gutes, gastfreundliches Haus war.“ Ristau wünschte für die weitere Arbeit im Seemannsclub alles Gute.
Susanne Wendorf-von Blumröder, Superintendentin im Kirchenkreis Bremerhaven, erklärte, dass die Entscheidung zu Schließung des Hauses eine schwere gewesen sei, aber beim Blick auf die Zahlen, sei dem Vorstand kaum etwas anderes übriggeblieben. Das Hauslag uns am Herzen.“ Die Zeit der Pandemie habe gezeigt, wie wichtig so ein Ort mit Übernachtungsmöglichkeiten für Seeleute sei. Wer hätte sich sonst um die Seeleute von Kiribati kümmern sollen? Für Christinnen und Christen gehöre es schließlich dazu, Kranke aufzunehmen und sich um sie zu kümmern. Die Superintendentin wünschte sich, dass die Seemannsmission weiterhin für kranke Seeleute sorge und wünschte dem Team weiterhin die Kraft dazu. „Der Gedanke, für die Seeleute da zu sein, wird weiterhin bestimmend sein.“

