Psychosoziale Notfallversorgung für Seeleute: unterstützend wenn Schreckliches passiert ist
Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) für Seeleute hilft ihnen bei der Bewältigung von extrem belastenden Ereignissen an Bord.
Zur See fahren – ein besonderer Beruf
Leben und Arbeiten an Bord ist schon im normalen Alltag mit vielen Stressfaktoren verbunden, also mit psychischen Belastungen für die Seeleute. Dazu zählt unter anderem:
- Einsamkeit,
- lange Abwesenheit von zu Hause
- Isolation von sozialen Kontakten (Freunde, Familie)
- lange Arbeitszeit, wenig Ruhe
- wenige Möglichkeiten zum Ausgleich
- wenig gesunde Bewegung / Sport
Damit gibt es oft schon eine hohe Grundbelastung. Siehe dazu auch den Artikel zur psychischen Gesundheit an Bord: Mental Health – schon immer Thema der Seemannsmission!
Besondere psychische Belastungen
Dazu können zusätzlich belastende Ereignisse eintreten:
- schwere Arbeitsunfälle
- plötzlicher Tod eines Kollegen
- Stürme mit Lebensgefahr
- Suizid
- Ladungs- oder Schiffsbrände
- Kollisionen, Havarien
- Piraterie, Überfälle
- Angriffe auf Schiffe, wie zuletzt im Roten Meer und vor dem Jemen
- Personen über Bord oder die
- Seenotrettung von Flüchtlingen
Diese Extrem-Situationen erfordern eine gute Krisenintervention und verantwortungsvolle psychosoziale Betreuung, um solche Vorfälle besser zu verarbeiten. Dies soll gesundheitliche Folgen, wie z. B. Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme oder auch Posttraumatische Belastungsstörungen verhindern oder beitragen, diese möglichst früh zu erkennen und zu behandeln.
Im Jahr 2023 hatte die Deutsche Seemannsmission (DSM) weltweit 88 Einsätze, die diese besondere Fach- und Feldkompetenz benötigten. 2022 waren es 47 gewesen.
Interkulturelle und Interreligiöse Kompetenz ist dabei wichtig. Und das Wissen: Wie ticken Seeleute? Wie funktioniert das Bordleben? Was gilt es angesichts der Arbeitsverhältnisse an Bord zu beachten? Wann legt das Schiff an? Wann ist ein guter Zeitpunkt an Bord zu gehen?
PSNV-Einsatzkräfte „von Landseite“ haben dieses zusätzliche Spezialwissen nicht. Wir können Seeleute in ihrem Kontext betreuen und beraten.
Wie können Reedereien Hilfe bekommen?
Nach belastenden Ereignissen an Bord können sich Reedereien, Agenturen und Schiffsleitungen bei uns melden. Wir organisieren dann, dass Seeleute im nächsten Hafen betreut werden, nach Möglichkeit durch unsere eigenen PSNV-Fachkräfte. Sonst nutzen wir unser internationales Netzwerk.
Im Flyer für Reedereien und Agenturen finden Sie weitere Infos, auch unsere 24-Stunden-Telefonnummer für Notfälle.
Help for seafarers: Handling stressful events
Vorsorge ist besser!
Wir kooperieren gerne mit den für die Crew verantwortlichen und informieren über die Möglichkeiten der Betreuung nach Vorfällen und die Vorsorge.
Ein sehr wichtiger Teil der Prävention ist auch eine Schulung der Seeleute, vor allem die Beratung der Schiffsleitung, und der für das Crewing verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Land. Damit Sie uns in Notfällen gut erreichen können, stellen wir Ihnen gerne unsere 24-Stunden-Rufnummer zur Verfügung.
Melden Sie sich für weitere Auskünfte gerne bei unserem PSNV-Koordinator Dirk Obermann.
PSNV im Überblick
Gut ausgebildet für PSNV:
Zurzeit haben wir über 45 psychosoziale Fachkräfte, die in zertifizierten Kursen für PSNV / Notfallseelsorge ausgebildet wurden. Unser Kooperationspartner für speziell angepasste In-House-Kurse ist die Bundesvereinigung SbE (Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen – Link: SbE-Bundesverband ) Damit verfügt die Deutsche Seemannsmission über das fachliche Wissen und die notwendige Feldkompetenz in der Welt der Seefahrer, um Seeleuten nach belastenden Ereignissen gut betreuen zu können.
Feldkompetenz im maritimen Umfeld:
Deutsche Seemannsmission ist seit über 135 Jahren Betreuung von Seeleuten im Alltag und in besonderen Situationen. Unsere Mitarbeitenden arbeiten täglich mit Seeleuten. Sie kennen die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord. Sie wissen, welche Regeln und Verhaltensweisen an Bord, im Hafen und auf den Terminals gelten. Sie sprechen neben Deutsch und Englisch oft auch eine zusätzliche dritte Sprache. Sie hören, was Seemänner und Seefrauen aus ihrem Alltag berichten. Sie bekommen mit, wie die Menschen auf See besondere Krisen erleben. Sie haben ein offenes Ohr und geschärfte Sinne, um auch die Sorgen hinter dem Lächeln zu sehen. Oft heißt es auf die erste (und zweite) Frage: „Mir geht es gut.“ Erst danach, mit etwas Zeit und der richtigen Aufmerksamkeit hören wir mehr.
Interkulturelle Kompetenz:
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Seemannsmission kennen die kulturellen Hintergründe der Seeleute. Sie wissen um die Lebens- und Arbeitswelt an Bord. Sie erleben in der Begegnung, was es heißt auf dem Schiff mit den verschiedenen Kulturen, Religionen und sozialen Stellungen zusammenzuleben. Sie hören und sehen welche Ängste und Hoffnungen es gibt und wie wir bei Konflikten vermitteln können.
Die Seeleute kennen uns – Ressource Vertrauen
Größte Ressource ist das Vertrauen der Seeleute in unsere Mitarbeitenden. Seeleute kennen uns aus den Seemannsclubs, Seemannshotels und -heimen, aus den Seafarers Lounges (für Kreuzfahrt) und von Bordbesuchen. Sie schätzen das Angebot sehr und wissen: da ist jemand, dem ich vieles anvertrauen kann. Die anderen an Bord sind Arbeitskolleginnen und -kollegen. Da ist nicht unbedingt jemand dabei, mit dem man über persönliche Dinge reden möchte. In den vier bis neun Monaten auf dem Schiff ist das soziale Umfeld begrenzt. Den Leuten von der Seemannsmission erzählen sie eher, was sie belastet oder was sie auf dem Herzen haben. Mit jemandem darüber reden zu können, erleichtert und gibt Kraft.
Sichere Online Plattform für Chat und Seelsorge DSM.Care
Seeleute können erfahrene Mitarbeitende der Deutschen Seemannsmission online rund um die Uhr auf der Chat-Plattform dsm.care kontaktieren. Dort sind Port Chaplains (Hafenseelsorger) für sie da, die sie auch aus den Häfen und unseren Einrichtungen kennen.
Mit ihnen können sie über alles, was sie auf dem Herzen haben, sprechen. Es ist ein einfaches Gespräch möglich oder auch digitale Seelsorge. Der Chat ist auf Englisch oder Deutsch möglich. Dieser Chat ist natürlich vertraulich und technisch sicher.
Mehr Infos auf der Unterseite dazu: Chat für Seeleute
Die Deutsche Seemannsmission verfügt über Expertinnen und Experten für Seeleute an 33 Orten weltweit (darunter 16 in Deutschland). Über das internationale Netzwerk der ökumenischen Seemannsmissionen mit über 1.000 Mitarbeitenden in 500 Seafarers Centres kann sie Hilfe und Unterstützung weltweit vermitteln.
Seeleute haben einen sehr anstrengenden und gefährlichen Beruf. Schon im Alltag haben sie einen hohe Stressbelastung. Die Arbeit an Bord bringt viele Entbehrungen und anstrengende Bedingungen mit sich. Alles dies nehmen sie auf sich, um ihre Familien zu unterstützen und die Gesellschaft mit Waren zu versorgen.
Die Seeleute verdienen es, dass sie Hilfe erfahren, vor allem dann, wenn sie belastende oder möglicherweise traumatisierende Ereignisse erlebt haben.
Kooperationspartner der DSM im Bereich PSNV
- Havariekommando in Cuxhaven, siehe hierzu auch den Artikel: Deutsche Seemannsmission und Havariekommando sind wichtige Kooperationspartner
- Rettungsleitstelle See der Seenotretter (DGzRS)
- BG-Verkehr / Dienststelle Schiffssicherheit
- PSNV-Landeszentralstellen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
- die kirchlichen, regionalen Konferenzen der Notfallseelsorge in Niedersachsen.
Die DSM unterstützt das Bündnis „United4Rescue“ mit ihrem PSNV-Knowhow.
Infos zur PSNV:
Deutsche Seemannsmission e.V.
Dirk Obermann – Stabstelle PSNV-Koordinator
Mattentwiete 5, 20457 Hamburg
Telefon: +49 40 23 93 69 815
E-Mail: dirk.obermann@seemannsmission.org
Seeleute, die dringend jemanden zum Reden brauchen, können sich über die sichere und vertrauliche Plattform dsm.care 24 Stunden, 7 Tage die Woche melden.