Rotes Meer für Seeleute lebensgefährlich

„Geiseln müssen freigelassen werden“
Seemannsmission weist auf Situation der Seeleute hin

Die Angriffe der Huthi-Miliz vor der jemenitischen Küste und im Roten Meer versetzen Schiffsbesatzungen in Angst und Schrecken, Reedereien in Sorge, und stören die wichtigste Handelsroute zwischen Asien und Europa. Längere Lieferzeiten, höhere Versicherungssummen und Gesamtkosten sind die Folge für die maritime Wirtschaft. Eine Schutzmission unter Leitung der USA soll die Passage wieder sicherer machen. Doch wie geht es den Seeleuten in dieser gefährlichen Lage? Die Deutsche Seemannsmission kümmert sich um die Menschen, die täglich unter Einsatz ihres Lebens unsere Alltagsgüter transportieren. Sie ist in den Häfen und online erreichbar für Seeleute, denen die Belastung durch die Gefahr oder elebte Angriffe zu schaffen macht (siehe unten).

Überblick über die Lage

Trotz der Angriffe passieren weiterhin 200 Schiffe pro Tag die Meerenge
Schiffe müssen einen Umweg über das Kap der Guten Hoffnung nehmen
Schiffsbesatzung gekapert
Hochrisiko- vs. Kriegsgebiet
Schutzkooperation unter Leitung der USA
Die Deutsche Seemannsmission ist für Seeleute nach Überfällen da
Die Gesundheit der Schiffsbesatzungen ist in Gefahr

Weniger Fracht durchs Rote Meer

Die Auswirkungen der Huthi-Angriffe auf die zivile Schifffahrt: Die durchs Rote Meer transportierte Frachtmenge brach im Dezember 2023 um mehr als die Hälfte ein. Aktuell liege diese fast 70 Prozent unter dem zu erwarteten Aufkommen, so das Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
Lagen die verschifften Container pro Tag im November 2023 bei rund 500.000, zeigt sich einen Monat später, dass nur noch 200.000 Container pro Tag durchs Rote Meer verschifft wurden.

Es fahren immer noch 200 Schiffe pro Tag

Nach Angaben der Welthandelsorganisation werden zwischen 12 und 15 Prozent des globalen Seehandels über den Suezkanal verschifft. Diese schätzte, dass das Handelsvolumen durch den Suezkanal in den vergangenen zwei Monaten um 42 Prozent eingebrochen ist. Trotz der Angriffe fahren dennoch täglich 200 Schiffe durch den Suezkanal. https://unctad.org/news/red-sea-black-sea-and-panama-canal-unctad-raises-alarm-global-trade-disruptions.

Die Attacken haben dazu geführt, dass Reedereien die Waren immer höher versichern lassen müssen. Hinzukommen höhere Kosten durch längere Ausweichrouten um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas.

Umweg über Afrika

Wie das Handelsblatt berichtete, stellte die dänische Reederei Maersk den Frachtverkehr Anfang Januar durch das Rote Meer bis auf weiteres ein, auch Hapag-Lloyd nimmt den Umweg über Afrika in Kauf. Vor der Krise schickte die Reederei 50 Frachter pro Monat durch den Suezkanal.
Auch die französische Reederei CMA CGM hat verkündet, nicht weiter durch die Meerenge von Bab el Mandeb fahren zu wollen, wie Loyd’s List am 5. Februar mitteilte. Der Umweg über Afrika verlängert den Warentransport um sieben bis zu 20 Tage. Für die Seeleute bedeutet das:

  • Eine längere Zeit ohne Landgang
  • Dadurch oft weniger Gelegenheit für Kontakt mit der Familie
  • Unter Umständen längere Zeit an Bord bis zur Heimreise

Entführung im Roten Meer

Israelische Medien hatten am 19. November berichtet, dass die Huthi ein Frachtschiff im Roten Meer unter ihre Gewalt gebracht hatten. Die von Großbritannien und Japan betriebene „Galaxy Leader“ hatte 25 Seeleute von den Philippinen, aus Bulgarien, der Ukraine, Rumänien und Mexiko an Bord, die als Geiseln genommen wurden. Das Schiff liegt seit Anfang Dezember vor der jemenitischen Küste und wurde von den Huthis als Touristenziel genutzt.

Angriffe auf Tanker und Frachter

Seit November sind mehr als 30 zivile Handelsschiffe angegriffen worden. Nach eigenen Angaben ist das Ziel der Huthi, Israel zu einem Ende der Kämpfe im Gazastreifen zu zwingen.

Am 26. Januar hatten die Rebellen die Marlin Luanda, einen britischen Öltanker, mit einer Antischiffsrakete im Golf von Aden angegriffen, wie UKMTO mitteilte, eine Behörde, die zur britischen Marine gehört. Der Tanker war in Brand geraten. Kriegsschiffe waren zugegen und hatten die Besatzung beim Löschen des Feuers unterstützt. Glücklicherweise blieb die Crew unverletzt.

Am 28. Januar hatten die Huthi das amerikanisches Marineschiff USS Carney mit einer Rakete im Golf von Aden getroffen. Die UKMTO rief Schiffe in der Region rund um das Rote Meer und den Golf von Aden dazu auf, Vorfälle zu melden.
Es ist unklar, wen die militant-islamistischen Huthi genau angreifen. Nach eigenen Angaben, Schiffe mit Verbindungen zu Israel. Mitte Dezember hatte die Miliz jedoch fälschlicherweise auch einen Tanker angegriffen, der russisches Öl transportierte. Das war bereits der zweite Vorfall, basierend auf veralteten Informationen in einer Datenbank. Die Daten brachten den Tanker mit Großbritannien in Verbindung.

Internationale Schifffahrt genießt Schutz

Die Attacken auf zivile Schiffe verstoßen grundsätzlich gegen das Völkerrecht. Doch es ist nicht leicht, Schiffe vor Angriffen in der Meerenge zu schützen. Mit dem sogenannten AIS (Automatic Identification System) können Schiffe geortet werden. Um sich zu schützen, stellen viele Crews das AIS im Roten Meer aus, damit ihre Position nicht mehr übertragen wird. Doch da die Meerenge nur bis zu 20 Kilometer breit ist, kann man die Schiffe oft mit bloßem Auge von der Küste aus sehen. 

Sicherheitsinitiative für zivile Schifffahrt

Die von den USA angeführte internationale Operation „Schutz des Wohlstands“ (Operation Prosperity Guardian) soll die zivile Schifffahrt mit ballistischen Raketen und Drohnen vor den Huthi-Angriffen schützen. Patrick Ryder, Sprecher des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten, sagte bei einem Pressegespräch am 30. Januar 2024, dass die Vereinten Nationen mit ihren Schlägen gegen die Huthi die internationale Schifffahrt und Seeleute, die durchs Rote Meer fahren, schützen möchten, sowie die Fähigkeit der Huthi stören, solche Anschläge auszuführen.  Es stellt sich aber die Frage, ob ein vollständiger Schutz möglich ist: am Am 31.12. wurde ein Containerschiff von Maersk unter US-Flagge fast getroffen, obwohl es innerhalb eines Konvois der US-Marine unterwegs war. 

Ist die Region ein Kriegs- oder Hochrisikogebiet?

Das besagte Gebiet im Roten Meer ist offiziell kein Kriegsgebiet, sondern wird vom IBF und ITF als Hochrisikogebiet klassifiziert. Wäre es ein Kriegsgebiet könnten Seeleute sich weigern, weiter durch die Meerenge zu fahren und müssten auf Kosten der Reederei nach Hause geflogen werden. Außerdem stünde der Besatzung eine doppelte Entschädigung im Falle einer Behinderung oder des Todes aufgrund eines Angriffs zu. Crews können laut ITF-Statuten unter anderem auch einen Auftrag in einem kriegsähnlichen Gebiet ablehnen, ohne um ihren Job fürchten zu müssen.

Die Deutsche Seemannsmission ist für die Seeleute da

Crew der Al Jasrah wurde im nächsten Hafen betreut

Zu sehen ist ein schwarzes Containerschiff, das viele bunte Container geladen hat. Es ist die Al Jasrah, die an den Kaianlagen im Hafen von Singapur liegt. 
Die Seemannsmission hat die Seeleute betreut. Sie sagt: "Rotes Meer für Seeleute lebensgefährlich."
Der Frachter Al Jasrah im Hafen von Singapur – Foto: A. Latz

Die Huthi-Miliz hatte das Containerschiff Al Jazrah Mitte Dezember 2023 mit Raketen beschossen. Einige Container standen in Flammen, die die Mannschaft aber löschen konnte. Besatzung und Frachter der deutschen Reederei Hapag Loyd entkamen in letzter Sekunde. Singapur war der nächste Hafen, den die Al Jasrah angelaufen ist. Dort hat sich Seemannspastor Andreas Latz auf Vermittlung der Deutschen Seemannsmission um die Seeleute gekümmert. Wie Schiffsbesatzungen mit den Huthi-Angriffen umgehen, darüber hat Andreas Latz mit Mission eine Welt, dem Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, gesprochen. Link zum Artikel

Die Situation ist eine ernste Gefahr für Seeleute. Glücklicherweise ist bis jetzt niemand verletzt worden. Aber einige Schiffe sind von Raketen getroffen worden, die Feuer konnte gelöscht werden. Feuer an Bord ist die größte Angst der Besatzung. Allein die Bedrohung ist eine hohe psychische Belastung.

Seelische Gesundheit in Gefahr

„Die Seeleute werden mit vereinnahmt, deren seelische Gesundheit riskiert“, sagt Silvie Boyd, die die Station der Deutschen Seemannsmission in Le Havre leitet. Sie wisse, dass Firmen ihren Besatzungen für die Durchfahrt durchs Rote Meer einen Bonus anböten. „Aber dieser bezahlt kein Leben und keine mentale Gesundheit. Das beschäftigt die Seeleute“, so Boyd weiter. Das zeige sich in den Nachrichten, die sie seit Dezember erhalte.  

So schrieb ein Crewmitglied: „Erfahrung hilft dem Kapitän nicht, wenn unser Tanker mit Raketen und Drohnen angegriffen wird.“ Ein Kapitän berichtete, dass er mit seiner Crew eine Woche auf die Entscheidung des Schiffseigners über die weitere Route warten musste. „Wir haben gebetet, dass das Schiff nicht über Suez geleitet wird. Aber trotzdem hätte sich niemand geweigert, wenn wir durch das Rote Meer hätten fahren müssen. In dieser Hinsicht sind Seefahrende sehr stark.“ 

Für die Diakonin und ausgebildete Fachkraft in PSNV (Psychosozialer Notfallversorgung) steht fest, dass Ängste eher nicht anonym geteilt würden, sondern, dass sich die Seeleute an Menschen wenden, die sie kennen. „Sie merken sich unser Gesicht. Manchmal sind wir der einzige soziale Kontakt und der bleibt hängen. Wir interessieren uns für die Seeleute als Menschen und nicht als Arbeitsameisen. Die Seeleute wissen teils noch Jahre später, dass wir sie besucht haben. Sie wissen, wer wir sind und, dass wir für sie an Bord kommen.“ 

„Mein Anliegen ist, dass die Seefahrenden in den Blick rücken und ihre Menschenrechte in Bezug auf Selbstbestimmung und Unversehrtheit am Arbeitsplatz gewährt werden“, sagt Boyd.

Containerschiffe kommen kaum noch nach Piräus

Auch in Piräus, Griechenlands größtem Hafen, sind die Auswirkungen der Huthi-Angriffe spürbar, weiß Reinhild Dehning von der Deutschen Seemannsmission zu berichten. „Hier in Piräus habe ich in den letzten Wochen nur mit Seeleuten zu tun, die um Afrika herumfahren. Viele Schiffe haben die Routen gewechselt und kommen zurzeit nicht mehr hierher, sondern fahren direkt nach Nordeuropa. Von dort werden dann die fürs Mittelmeer benötigten Container gefeedert.“ Trotz der unsicheren Situation können die Schiffsbesatzungen der Lage auch etwas Positives abgewinnen. „Manche Seeleute genießen auch die lange Seereise, auf der endlich mal eine Routine entstehen kann und vieles aufgearbeitet wird, was liegengeblieben ist. Der mehr oder minder einzige Nachteil ist, die fehlenden Kontaktmöglichkeiten über das Internet mit der Familie und Freunden“, so Dehning weiter. Denn viele Schiffe haben kein Internet an Bord. Das ist oft nur in den Häfen oder in Küstennähe über Simkarten empfangbar.

Vor- und Nachteile der Fahrt um Afrika

Auch Martina Platte, Seemannsdiakonin für die Deutsche Seemannsmission in Hong Kong, sieht nicht nur negative Auswirkungen durch längere Schiffspassagen: „Die vorherrschende Meinung der Seeleute ist, dass sie das lieber haben, weil dann geregelte Arbeits- und Wachzeiten an Bord sind. Auf Kurztrips oder Feedertrips wenn die Hafenfolge schnell ist, gibt es mehr Arbeitsstress und weniger Schlaf.“ Sie weist aber auch darauf hin, dass die Seeleute, mit denen sie Kontakt hatte insgesamt alle besorgt über die Situation seien, sich Sorgen um Kolleginnen und Kollegen machten, die im Roten Meer unterwegs seien. „Und alle, die durchfahren mussten, hatten richtig Angst und Stress“, so Platte.

Seemannsmission ist in den Häfen und online für Seeleute ansprechbar

„Wir kümmern uns um Seeleute. Die psychischen Belastungen für die Menschen an Bord sind groß – nicht nur dort, wo etwas passiert, sondern auch die Angst vor einem Treffer, wenn man durch die Meerenge fahren muss“, sagt Matthias Ristau, Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission. „Solange das Risiko weiterer Angriffe besteht, wäre es besser, wenn die Reedereien den Umweg in Kauf nehmen würden“, so Ristau weiter. „Die Angriffe auf internationale Handelsschiffe, die Waren für viele Länder transportieren, sind durch nichts zu rechtfertigen! Die als Geiseln festgehaltenen Seeleute müssen freigelassen werden!“

Die Deutsche Seemannsmission ist für Seeleute ansprechbar – weltweit persönlich an über 30 Standorten durch Seemannsdiakone, die beispielsweise Schiffe besuchen, wie im Fall der Al Jasrah. Oder auch online über die sichere und vertrauliche Seelsorgeplattform DSM Care. Dort können Seeleute mit einem Seemannsdiakon chatten. Betroffene Reederein finden weitere Infos über Psychosoziale Notfallversorgung für Seeleute.

Die DSM wird gefördert und unterstützt durch

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