Ankommen, wenn auch nur für einen Zwischenhalt
Gedanken zum vierten Advent
Der vierte Advent ist da. Advent heißt Ankunft. Für viele von uns bedeutet das: ankommen dürfen, zur Ruhe kommen, nach Hause gehen. Je näher Weihnachten rückt, desto stärker wird diese Erwartung. Bald ist man dort, wo man hingehört.
Für Seeleute bedeutet Ankunft oft etwas anderes. Sie sind ständig unterwegs. Sie kommen in Häfen an, manchmal nur für ein paar Stunden. Sie sehen Städte aus der Distanz – durch Zäune, aus dem Shuttlebus oder vom Kai aus. Wirklich anzukommen – dort, wo ihr Zuhause ist, wo ihre Familie lebt, wo sie sich fallen lassen können – das passiert selten. Für viele vielleicht nur einmal im Jahr.
Seeleute, die wir im Hafen von Amsterdam treffen, vor allem von den Philippinen, aus Indien oder aus osteuropäischen Ländern, leben in diesem Dazwischen. Wochen und Monate auf See, lange Arbeitszeiten, wenig Raum für Rückzug. Ankommen in einem fremden Hafen heißt für sie meist: festmachen, Ladung löschen, weiterfahren. Also etwas ganz anderes als unser Verständnis von Ankommen. Damit tragen sie mit ihrer Arbeit unseren Alltag. Sie sorgen dafür, dass Lebensmittel verfügbar sind, dass Waren rechtzeitig ankommen, dass auch an Weihnachten vieles selbstverständlich da ist – das Notwendige wie auch das Überflüssige.
Der vierte Advent lädt dazu ein, diesen Unterschied wahrzunehmen. Während wir uns auf das Ankommen vorbereiten, bleiben andere unterwegs. Während wir Wege nach Hause planen, fahren Seeleute weiter über die Meere.
Als Deutsche Seemannsmission versuchen wir in Amsterdam und an vielen anderen Orten in Deutschland und weltweit, für Seeleute ein Angebot zu machen. Keinen Ersatz für zu Hause, aber eine Annäherung. Einen Ort, an dem man für einen Moment ankommen kann. Wo man Menschen trifft, die es gut meinen. Wo Zeit ist für ein Gespräch, für eine Tasse Kaffee oder Tee, für eine Nachricht nach Hause. Eine SIM-Karte, um Familie und Freunde wenigstens einmal über ein Smartphone-Display zu sehen.
Manchmal ist es nur ein kurzer Besuch, weil die Arbeit der Seeleute weitergeht. Doch selbst die schnelle Übergabe von Geschenken kann Vorfreude schenken. Manchmal bleibt man länger und kann sich unterhalten. Das schafft Momente, in denen niemand funktionieren muss.
Vielleicht ist das eine für Seeleute sehr typische Form von Ankunft: nicht das große Ziel, sondern der kleine Zwischenhalt. Ein Raum, der an zu Hause erinnert. An Gemeinschaft. An das Gefühl, gesehen zu werden.
Der vierte Advent erinnert daran, dass Ankommen nicht für alle gleich aussieht. Und dass es viel bedeuten kann, dort, wo Menschen ständig unterwegs sind, Orte zu schaffen, an denen sie wenigstens ein Stück weit ankommen dürfen – wenn auch nur für einen Zwischenhalt.
Diakon Thomas Kirschner
leitet die Deutsche Seemannsmission und das Guesthouse Keizersgracht in Amsterdam

