1. Korinther 9,16-23, Predigt Pfarrerin Maria Jepsen anlässlich der Weltkonferenz der Seemannsmission 2008

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Liebe Gemeinde,

in den letzten Wochen wurde die Pressefreiheit vielfach thematisiert. Nicht nur in Bezug auf die Olympiade und die Berichterstattung in China. Auch in Russland und Simbabwe, in den USA und in Westeuropa, in Italien und bei uns, wenn Journalisten abgehört werden, ist die Pressefreiheit eingeschränkt. Auch dann, wenn Ereignisse und Tatsachen schief oder verkürzt dargestellt oder verschwiegen werden. Jede Beschneidung von Freiheitsrechten und jeder Einschüchterungsversuch ist ein Angriff, ein Eingriff in unsere demokratischen Grundrechte. Da steht viel auf dem Spiel, weit über die Arbeitsmöglichkeit der Journalisten und Journalistinnen hinaus. Alle sind dann empört – zu Recht.

Mit der Glaubensfreiheit weltweit ist es kaum anders, eher schlimmer, wenn man bedenkt, wie viele Menschen
ihren Glauben nicht frei leben und bekennen dürfen.
Ich weiß: Medienverantwortliche haben oft ihre liebe Not mit dem Glauben und mit der Religion überhaupt. Glaube und Frommsein gilt als unmodern.
Aber mich erschreckt es schon manchmal, wie unbedarft oder spöttisch unsere Institution Kirche und christlicher Glaube in vielen Medien dargestellt und kommentiert werden oder einfach verschwiegen werden. Dennoch: Es gibt inzwischen wieder mehr differenzierte Aussagen und Fragen in Bezug auf den Glauben. Ob wir an Berichte vom Katholiken- und Kirchentag denken, zur Tibetfrage oder über christlichen sowie islamischen Fundamentalismus.

Alte Fragen kehren zurück und lassen sich nicht mehr ausblenden oder öffentlich verschweigen. Was ist der Kern des Buddhismus?
Was sagt der Koran über die Würde der Frauen oder die Ordnung der Gesellschaft?
Welche Gebote sind den Christen wichtig und welche Verbindungen gibt es zwischen Kirche und Synagoge?
Religion ist nicht „in“ oder schick, wie Einzelne schwärmen. Von einer allgemeinen Wiederentdeckung oder Renaissance der Religion kann nicht die Rede sein. Nur die Medien entdecken sie wieder als Thema. Religion selber gab es immer und wird es immer geben – so oder so.

Die Überbewertung oder – sagen wir es klar - die Anbetung von Geld und Macht, die Ausrichtung an den Sternbildern und Horoskopen, an alt-neuen Aberglaubenpraktiken – das alles wird nicht aufhören. Ebenso wenig wie christlicher, jüdischer und islamischer Glaube. Die Menschen, wir alle, spüren und wissen eben, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, auf dem Land und zu Wasser, als wir sehen und greifen, begreifen können, als Journalisten berichten können, als was messbar und statistisch erfassbar ist. Dem Sinn, dem Urgrund menschlichen Lebens nachzusinnen, ihm verbunden zu bleiben, in bösen Stunden und in guten, - das ist Zeichen einer tiefen Sehnsucht, das ist Herzensangelegenheit, Glaubenssuche – heute nicht weniger als vor 100 oder 2000 Jahren. Ob nun darüber berichtet wird oder nicht. Wer bin ich, für mich, vor anderen, für andere?
Dieser Frage ging der Apostel Paulus nach, immer wieder neu. Seine Briefe zeigen es uns in leidenschaftlicher
Weise. Paulus nahm kein Blatt vor den Mund. Er war nicht schüchtern. Paulus sah sich in seinem Auftreten und Reden durchaus eingeengt und manchmal unter Druck gesetzt und dann wieder völlig frei und unabhängig, konnte ohne Angst von dem sprechen, was ihn bewegte, womit er andere bewegen wollte. Hin- und hergerissen war er und setzte alles dran, um seinen Platz als Apostel glaubwürdig wahrzunehmen und andere zum Glauben und Dienen zu gewinnen. Gebundenheit und Freiheit sind so oft dicht beieinander und fest miteinander verwoben.

Martin Luther legte es so dar:
Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan. Ich bin frei in allen Dingen und habe mich zujedermanns Knecht gemacht. Und er fügte hinzu: Ihr sollt niemand etwas verpflichtet sein, denn dass ihr euch untereinander liebt. Liebe aber, die ist dienstbar und Untertan dem, das sie lieb hat, dem, den sie liebt. Ja, diese Widersprüche, diese Zerreißgefühle und –gedanken kennen wir alle: als Christen, als Mitarbeitende der Kirche und der Seemannsmissionen.

Wir wollen die Liebe Gottes bezeugen, von Jesus erzählen, Vergebung und Hoffnung erfahren und ausstrahlen und einladen in die eigene Kirchengemeinde, in die Seemannsstation und zugleich in die weltweite Kirche Jesu Christi, möglichst viele gewinnen, wie Paulus schreibt, und zumindest einige retten. Praktische Hilfe und Orientierung an Gottes Willen zu vermitteln, ist unsere Aufgabe. Und wir merken, dass die praktische Hilfe oft leichter ist als das Glaubensgespräch. Aber beides ist wichtig, und das eine ist nicht mehr als das andere, aber letztlich gehören sie zusammen.

Beim Essen und Trinken können die Herzen geöffnet werden, - das erfahren Sie in der Seemannsmission täglich, wenn die Seemänner und Seefrauen bei ihnen auftauchen, dort auftanken wollen, an Leib und Seele sich erquicken wollen, - das wird ein Freiraum geöffnet, so wie beim großen Abendmahl. Gott lädt ein, dich und mich und die vielen anderen, und scheinbar ganz nebenbei, aber sehr tiefreichend und nachhaltig, wird seine Güte erfahrbar.
Da werden Grenzen überwunden und Gemeinschaft entsteht, voller Vertrauen und auch Fröhlichkeit. Mir fällt das bei den Besuchen in den Stationen immer wieder auf, und dafür danke ich Ihnen ganz herzlich. Es ist uns gesagt, dass wir durch die Taufe von den Mächten des Bösen befreit sind. Uns ist Vergebung und ewiges Leben zugesprochen, und mit jedem Segen geschieht das aufs Neue. Auch diesen Sonntag wieder, wen am Schluß des Gottesdienstes jede und jeder von uns Gottes Segen zugesprochen bekommt, dann gilt Paulus` Überzeugung: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“. Seine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und seine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Wir heißen Gottes Kinder und wir sind es, Erben seiner Verheißungen. Gott macht keinen Unterschiedzwischen einem Schiffsjungen und einem Admiral und einem Reeder, zwischen einem Papst und einer Konfirmandin. Wir alle sind ihm kostbar als Werk seiner Hände. Uns liegt daran, das nicht nur für uns zu behalten. Wir haben es anderen weiterzugeben mit Worten und mit unserem Verhalten, mit Gastfreundschaft in den Gemeinden und Seemannsstationen, aber auch mit Forderungen nach Gerechtigkeit, nach angemessenen Löhnen und Heuern, nach menschenwürdigem und durchaus auch familienfreundlichem Leben. Ja, das gehört zum Glauben, dass wir für Seele und Leid der anderen Gutes tun, Gutes ermöglichen. Wir sehen im Miteinander, ob in der Gesellschaft ganz allgemein oder in den Seemannsstationen, nicht nur unsere eigene Kultur, den eigenen Kultus, die eigene vertraute Glaubensweise. Wir treffen ja täglich Menschen aus anderen Kulturen und Nationen und Religionsgemeinschaften. Wir sind nicht isoliert und ghettoisiert. Wir sind auch in Deutschland längst eine multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft und dürfen uns nicht nur in den eigenen Nischen verkriechen und da eine nur private Frömmigkeit pflegen. Warum nur sieht es im normalen Alltag oft so anders aus? - da sind wir von einer seltsamen Furcht gepackt, dass wir die anderen bedrängen könnten und zeigen uns unfrei, unfähig, unseren Glauben ganz persönlich zur Sprache zu bringen. Als könnte es uns an den Kragen gehen. Als hätten wir Angst, ausgelacht oder angemacht oder einfach nicht verstanden zu werden.
„Atheismus kann jeder“ stand auf Plakaten beim Katholikentag – eine Provokation, über den eigenen Glauben zu reden. Wir müssen das ja nicht fehlerfrei gut und vollkommen können, aber gütig und freundlich können wir auftreten und ohne Angst, dass unser vertrauter Glaube uns und andere aufs Glatteis führt. Wir brauchen uns des Evangeliums nicht zu schämen.
Paulus kannte solche Situationen, hat am eigenen Leib spüren müssen, dass sein Auftreten und sein Predigten nicht geschätzt und geduldet wurden. Aber er hörte nicht auf, von Jesus Christus und von Gott zu reden, vor Griechen und Juden, in kleinen Orten und auf den Plätzen der Metropolen. Gerade in den Hafenstädten, in denen die verschiedenen Nationen und Religionsgemeinschaften aufeinander prallten, sprach er in aller Öffentlichkeit und in den Häusern von seinem Glauben, sehr persönlich und zugleich mit Respekt vor den Glaubensweisen der anderen.

Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne.
Paulus ging es nicht darum, sich zu profilieren, sondern die Botschaft weiterzugeben. Er trat dabei auf wie ein Korrespondent, der von seinen ganz persönlichen Erfahrungen berichtete, der zugleich möglichst objektiv darüber Auskunft gab, was christlicher Glaube beinhaltete, denn dieser Glaube hatte für ihn umfassende Bedeutung und durfte anderen nicht verschwiegen werden. Er trat auf wie ein Journalist, ein Journalist des Evangeliums. Nicht von ungefähr sind seine Briefe ein frühes Massenmedium geworden, an alle gerichtet, für alle Welt. Er war sich des Erfolgs sicher, auch wenn er auf Ablehnung und Feindschaft stieß. Er wusste sich von Gott getragen.

Liebe Schwestern und Brüder, Pressefreiheit und Glaubensfreiheit werden nicht nur durch politische Machthaber und staatliche und wirtschaftliche Gesetze und Interessen bedroht. Da machen wir selber auch mit, wenn wir unsere eigene Freiheit nicht nutzen, wenn wir schweigen und unsere Gegenpositionen aus dem Evangelium heraus nicht in aller Klarheit vertreten. In Dialogen und auf Konferenzen, allerdings auch in gesellschaftlichen Fragen, wenn es um die Heiligung unserer christlichen Feiertage geht oder um den Tanz um das Goldene Kalb. Es geht dabei nicht darum, einen Absolutheitsanspruch des Christentums zu behaupten, sondern den anderen unsere eigenen Glaubensfragen, Hoffnungen und Zweifel mitzuteilen, stets mit Respekt vor den Glaubensweisen der anderen. Paulus verzichtete auf den Lohn und redete und lebte als ein vollkommen freier Mitarbeiter im Namen Jesu Christi.

Wir leben in manchen Abhängigkeiten, - und ich weiß, dass auch kirchliche Mitarbeitende sich gelegentlich nicht frei fühlen, manchmal auch stark gemaßregelt oder gemobbt, aber es gilt für uns alle, auch für mich: wir dürfen uns nicht zu Bütteln unserer Geldgeber und der gesellschaftlichen Kräfte machen lassen, erst recht nicht zu Sklaven der eigenen Glaubensscheu. Ich wünsche uns allen, dass wir aus der Freiheit des Evangeliums leben, da, wo wir arbeiten und auftreten, um der Vergebung und der Hoffnung willen, die stark macht und Rettung und Heil bringt – uns und unserer Welt. Amen.



 

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