Nachlese Kirchentag 2015
Oh Tannenbaum!
Hochsommerliche Temperaturen beim ersten Weihnachtsfest der Seemannsmissionsfamilie auf dem Stuttgarter Kirchentag
Weihnachten bei der Seemannsmission ist ja eigentlich nichts Neues! Jahr für Jahr org
anisieren wir in unseren Einrichtungen Weihnachtsgottesdienste und Weihnachtsfeiern für Seeleute und verteilen bereits in der Vorweihnachtszeit Geschenke an Bord. Denn Seeleute können nicht mit ihren Familien gemütlich unter`m Baum sitzen, sondern verbringen die Weihnachtstage auf See oder im Hafen - und sind dann Gäste in unseren Einrichtungen. Gleichzeitig sind die Seeleute die Weihnachtsmänner der heutigen Zeit: 90 Prozent der Konsumgüter werden mit dem Schiff transportiert – somit hätten wir ohne Seeleute auch keine Geschenke unter dem Tannenbaum.
Mit dieser Botschaft und einem weihnachtlich gestalteten Stand auf dem Markt der Möglichkeiten wollten wir beim Stuttgarter Kirchentag die Kirchentagsbesucher auf die Arbeit der Seemannsmission aufmerksam machen.
Ganz nebenbei führte dies zu einem nie dagewesenen Ereignis: Die Seemannsmissionsfamilie feiert gemeinsam Weihnachten! Nicht jeder in seinem Hafen mit „seinen“ Seeleuten, nein, es ist Kirchentag und dem Aufruf der Generalsekretärin zur Mitarbeit am Stand der Seemannsmission folgten 30 Kolleginnen und Kollegen von New York bis Hongkong, von Cuxhaven bis in die Schweiz – das ist schon eine Art Familientreffen! Der Markt der Möglichkeiten dauert drei Tage: Heilig Abend, erster und zweiter Weihnachtstag, genau wie in „echt“! Und auch wie im richtigen Leben waren wir mit den Vorbereitungen für das Fest noch nicht ganz fertig, als Weihnachten plötzlich anfing. Es fehlten Süßigkeiten und vor allem fehlte: ein Weihnachtsbaum!
Der Kirchentag begann – wie immer -mit einem Eröffnungsgottesdienst und dem „Abend der Begegnung“, an dem sich die Kirchengemeinden aus der Region um Stuttgart an verschiedenen Ständen präsentieren. Martina Platte, Martina Schindler und ich begegneten an diesem Abend vor allem einem: Unserem Weihnachtsbaum! Er schmückte den Stand einer Kirchengemeinde – und diese war gerne bereit, uns dem Baum nach 23 Uhr zu überlassen. Die Schleifen durften wir mitnehmen, den Ständer nicht.
Wo sollten wir nun im Juni in Stuttgart einen Weihnachtsbaumständer auftreiben? Die Läden hatten bereits geschlossen und unser „Heiligabend“ fiel zudem auf Fronleichnam, ein Feiertag in Baden-Württemberg. Wie sollten wir den Baum aus der überfüllten Innenstadt raus und zum Stand bekommen? Für einen Transport in der S Bahn war er zu groß, eine Zufahrtsgenehmigung hatten wir für den nächsten Tag nicht mehr.
Wir schafften es: Rein in die S-Bahn, raus aus der Stadt, das Auto geholt, um viertel vor zehn einen EDEKA gestürmt und eine Menge Süßigkeiten eingekauft. Pünktlich um 11Uhr standen wir mit dem Auto in der Innenstadt und lauschten den Klängen des Abendsegens – um danach unseren Baum in Empfang zu nehmen!
Er passte ins Auto! Dort musste er dann auch die Nacht verbringen, denn weiter kamen wir an diesem Abend nicht mehr!
Heiligmorgen um 8 Uhr machten sich Jörn Hille, Johannes Frieden und ich auf dem Weg zum Stand – inzwischen ausgestattet mit einem Weihnachtsbaumständer, den das Hotel zur Verfügung stellte. Es gelang zumindest, mit dem Auto in die Nähe des Standes zu kommen, den Rest mussten wir tragen. Gut, dass wir jetzt alles beisammen hatten: Baum, Ständer, Taschenmesser und Christbaumschmuck. Der Zugang zum Stand blieb uns bis 9:30 Uhr von unerbittlich strengen Pfadfindern verwehrt. So standen wir bei sommerlichen Temperaturen vor dem Messezelt und schmückten unseren Weihnachtsbaum.
Frohe Weihnachten!
Pünktlich um 10 Uhr ging es los: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den obligatorischen blauen Seemannsmissionswesten und zusätzlich mit Weihnachtsmützen wünschten den ersten irritierten Kirchentagsbesuchern „Frohe Weihnachten“, verteilten Süßigkeiten und baten die Besucher, eine Weihnachtskarte für einen Seemann zu gestalten. Dieser Aufforderung sind viele Kirchentagsbesucher/innen offensichtlich gern nachgekommen. Im Laufe der Tage kamen eine Menge Weihnachtsgrüße für Seeleute zusammen, in verschiedenen Sprachen wurde geschrieben, es wurde gemalt, kleine Kunstwerke entstanden.
Es gab Wiedersehen mit alten Bekannten, es wurde nach Kollegen gefragt, Grüße wurden übermittelt. Genauso gab es Gespräche mit „ganz neuen“, mit jungen Menschen, die sich für einen Freiwilligendienst bei der DSM interessieren. Viele Besucher nutzen die Gelegenheit, ein Selfie von sich vor dem Weihnachtsbaum oder vor einem eigens dafür gestalteten Plakat knipsen zu lassen. Es war eine Menge los!
Nebenher kletterten die Temperaturen auf 30 Grad und in den Zelten war es teilweise kaum auszuhalten. Heike Proske freute sich, nun endlich verstanden zu werden, wenn sie sagte, dass die deutschsprachigen weihnachtlichen Bilder von Wärme und Licht untauglich seien in Gegenden wie Togo in Afrika: „Es ist so heiß, dass sich einfach niemand vorstellen kann, dass das was Schönes sein soll.“ Ja, wir hatten verstanden …
Echte Helden waren die, die trotz der Hitze immer mal wieder in das Weihnachtsmannkostüm schlüpften, um damit die Besucher anzusprechen!
So geht mit dem Kirchentag ein Stuttgart ein vielleicht einzigartiges Ereignis zu Ende: Das Weihnachtsfest der Seemannsmissionsfamilie bei australischen Temperaturen! Oder machen wir das jetzt etwa alle Jahre wieder?